Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Kaiser-Uhren: Trotz wirtschaftlicher Probleme – Alles ist gut?

geschrieben am: 28.11.2014 von: Annemarie Conradt-Mach in Kategorie(n): Uhrenfabrik Kaiser-Uhren
Blumen-Uhr

Blumen-Uhr

1966 Importe aus Japan, China und dem Ostblock

Wesentliches über die Lage des Unternehmens erfährt man nur aus der regionalen Presse. Geschäftsberichte oder ähnliches haben sich leider nicht erhalten. Jedes Jahr vor Weihnachten führte das Unternehmen eine Jubilarfeier durch, bei der auch die wirtschaftliche Entwicklung der Kaisergruppe von den Geschäftsführern kommentiert, den Mitarbeitern gedankt und die Sozialleistungen des Betriebs ausführlich gewürdigt wurden.
Seit Mitte der 60er Jahre machte sich die Krise der Uhrenindustrie auch bei Kaiser-Uhren bemerkbar. 1966 berichtete Oskar Kaiser erstmals: „Obwohl das Weihnachtsgeschäft noch als zufriedenstellend zu bezeichnen sei, müsse infolge der verstärkten Importe aus Japan, China und neuerdings aus den Ostblockstatten mit einem Nachlassen der Expansion gerechnet werden. Die Ausfuhr sei seit 1964 bereits um fünf Prozent zurückgegangen, der Grund hierfür in dem verstärkten Wettbewerb zu suchen, der aber mit den Ostblockländern in Anbetracht der dort üblichen staatlichen Subventionen besonders schwierig und besorgniserregend sei… Um eine ausreichende Beschäftigung sicher zu stellen, werde wohl manches Preiszugeständnis gemacht werden müssen.“1 Bedenklich sei, der Uhrenimport in der Bundesrepublik habe um 29 Prozent zugenommen, der Export dagegen sei um 5 Prozent zurückgegangen. Neben den Wettbewerbern aus Asien und aus dem Ostblock, machten den Unternehmen aber auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen Sorgen. „Neben Produktionseinbußen als Folge der auf 40 Wochenstunden verkürzten Arbeitszeit werde die Firma Kaiser im kommenden Jahr eine fünfprozentige Lohnerhöhung zu verkraften haben, die einige hunderttausend Mark ausmache.“ Leider könnten die Preise wegen der Billigkonkurrenz aus Ostasien nicht erhöht werden. Rationalisierung und „Verbilligung der Produktion“ sei der einzige Ausweg. Kaiser-Uhren versuchte als Gegenmaßnahme durch „forcierte Fertigung von elektronischen Batterieuhren und –Weckern“ die „Produktionskapazität auszulasten.“2

Im Dezember 1967 nach einem Jahr des Konjunktureinbruchs beklagte Rudolf Kaiser den weiteren Rückgang der Produktion und des Exports, weil „die Konkurrenz aus den Ostblockstaaten und China … ihre Erzeugnisse um 25 bis 30 Prozent billiger anbieten“ könnten. Die Pfundabwertung habe außerdem eine Verteuerung der deutschen Uhren um 17 bis 18 Prozent für den englischen Markt gebracht. Der Export sei für eine Firma wie Kaiser-Uhren überlebensnotwendig. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, habe Kaiser-Uhren nicht mehr so viel wie in den vergangenen Jahren investieren können.
Trotz des schlechten Geschäftsganges hielt das Unternehmen an seinen „bedeutenden freiwilligen sozialen Leistungen“ fest.3

1968 die Selbständigkeit der Firma wahren

1968 nahmen an der Weihnachtsfeier alle Familienmitglieder der „Inhaberfamilie“ teil. Rudolf und Oskar Kaiser, Frau Erna Kaiser und Familie Dr. Zimmermann. Die Fernsehgeräteproduktion in Kenzingen und in Furtwangen sei im vergangenen Jahr um 30 Prozent gesteigert worden, der Exportanteil betrage hier nun rund 30 Prozent. Dr. Herbert Zimmermann, der Schwiegersohn des verstorbenen Franz Kaiser erklärte selbstbewusst: „Ein Betrieb unserer Größenordnung muß sich sowohl in der Fertigung als auch im Vertrieb spezialisieren, dann kann er sich auch in einer Branche behaupten, in der in- und ausländische Elektrokonzerne den Ton angeben.“ Um die „Selbständigkeit zu wahren“, sei der von Kaiser-Uhren beschrittene Weg der richtige.4 1968 konnte der Umsatz glücklicherweise wieder gesteigert werden. „Es habe sich gezeigt, daß man Krisen beheben könne, wenn alle an einem Strang zögen. Eine Interessenpolitik5 schade nicht nur der Wirtschaft, sondern auch dem ganzen Volk.“

„Mit neuen modischen Uhrenmodellen“6 konnte man im Inland den Absatz steigern. An den gewohnten freiwilligen Sozialleistungen hielt das Unternehmen weiterhin fest.7 Trotz internationaler Währungskrise und der daraus folgenden Aufwertung der D-Mark blickte man bei Kaiser-Uhren mit Optimismus in die Zukunft. Auch bei gesteigerten Kosten und geschmälerter Ertragslage sei man zuversichtlich.8 „Eine Gefährdung der Arbeitsplätze habe … auch im wirtschaftlich schlechteren Vorjahr nicht bestanden.“9

Im Dezember 1970 sah Oskar Kaiser erstmals für die Uhren-Branche „schwarz“.10 Er beklagte erneut „dass die ‚Billigpreisländer‘ des Fernen Ostens und des Ostblocks Uhren zu manipulierten Sonderpreisen auf den deutschen Markt brächten. Insbesondere die Uhrenpreise der DDR seien in dieser Hinsicht gesteuert, um Devisen zu bringen“. Die Aufwertung der DM sei zu hoch ausgefallen, deutsche Waren würden immer teurer. „Besonders die Abwertung in Frankreich habe die Firma betroffen. Kaiser-Uhren seien dort bis zu 20 Prozent teurer geworden. Das bedeute(t) praktisch den Wegfall des Marktes in Frankreich.

Werbung für den französischen Markt

Werbung für den französischen Markt (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Auch in den USA würden die Produkte, bedingt durch die starke Rezession, nicht mehr so gut abgesetzt.“ „Der italienische Markt sei wegen der starken politischen Unruhen mit großen Absatzschwierigkeiten belastet. Ebenso sei der Absatz in Chile durch den politischen Umschwung in Mitleidenschaft gezogen worden. All dies wirke sich für die Firma stark aus, da sie einen Exportanteil von 60 Prozent habe.“ Zusätzlich hätten die höheren Löhne und die Materialpreiserhöhungen den Kostendruck der Unternehmen erhöht. Rationalisierung sei nur bedingt möglich, weshalb Kaiser-Uhren jetzt eine Programmbereinigung vornehmen wolle.11 Unter diesen Voraussetzungen blieb für das Jahr 1971 nur die Hoffnung, „daß die derzeit noch günstige Auftragslage gehalten werden könne. Für die nächsten Monate jedenfalls, … (seien) die Arbeitsplätze der 1100 in dem Villinger und Kenzinger Werk beschäftigten Mitarbeiter gesichert.“12
Die Lage besserte sich 1971 nicht. Es müsse „ jede nur denkbare Möglichkeit zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit wahrgenommen werden“, „um Produkte auf den Markt zu bringen, die in ihrem Endpreis wettbewerbsfähig seien. Hier seien in den vergangenen Wochen und Monaten auch erhöhte Anstrengungen erfolgt, die positive Ansätze zeigten. Bei diesem Bemühen wisse er sich, so stellte Oskar Kaiser dankbar fest, von der gesamten Belegschaft verstanden.“13

„Mit gedämpftem Optimismus dem Jahr 1974 entgegen“

Noch zur Weihnachtsfeier 1973 schien bei Kaiser-Uhren alles in Ordnung zu sein. Man war stolz auf eine „klar verbesserte Produktivität“ bei einer allerdings weiterhin „unbefriedigenden Ertragslage“. Dr. Zimmermann begründete im Hotel Diegner die „über dem Branchendurchschnitt liegenden Umsatz- und Produktionszahlen“. Sie „ seien das Ergebnis der seit etwa einem Jahr eingeleiteten Umstrukturierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen mit einem konsequent gestrafften Fertigungsprogramm. Durch die Kooperation mit dem Reisewecker-Hersteller Senden und der verstärkten Zusammenarbeit auf dem elektronischen Sektor mit den badischen Uhrenfabrik Furtwangen … (sei) das Verkaufssortiment trotzdem nicht kleiner geworden“. Der Umsatz bei Kaiser-Uhren konnte 1973 von knapp 35 Millionen DM auf 38 Millionen DM gesteigert werden bei 1000 Beschäftigten der gesamten Kaisergruppe. Die Auftragslage sei Ende 1973 gut. Trotz „ruinöser“ Lohnforderungen“ und „einer noch nicht zu überblickenden Teuerung, bedingt durch die Ölkrise“, sah Dr. Zimmermann „mit gedämpftem Optimismus dem Jahr 1974 entgegen“. „Diesen Optimismus vertrat auch Betriebsratsvorsitzender Peter Weißenrieder, der darauf aufmerksam machte, daß man in den zurückliegenden Jahren Rezession und D-Mark-Aufwertung, wie auch Dollar-Abwertung gleichwohl mit einer Steigerung auf allen Sektoren überwunden habe.“14
Die Weihnachtsfeierrhetorik der Kaiser-Geschäftsführung hielt bis zum Schluss an dem Bild vom erfahrenen Geschäftsführer fest, der durch alle Stürme der Zeit seinen Betrieb mit fester Hand führte, und sich auf die Unterstützung seiner „Gefolgschaft“15 verlassen konnte.

  1. SAVS 1.16-1998, Kaiser-Uhren Schwabo 20.12.1966 Bilder, Blumen, Urkunden und Treue zum Betrieb []
  2. SAVS 1.16-1998 Südkurier (SK) 21.12.1966 Der Preiskampf auf dem Uhrenmarkt wird sich noch verschärfen. []
  3. SAVS 1.16-1998, Schwabo 27.12.1967 Elektrische Uhren bestimmen den Weg der Zukunft. Siehe auch Südkurier 27.12.1967 Die „Josef-Kaiser-Gefolgschaftshilfe“ mit jetzt 1,3 Millionen DM Kapital, habe 1966 40000 DM an Unterstützung ausgezahlt worden, 1967 waren es 50000 DM, an sozialen Leistung im Betrieb wurden 300 000 DM bereitgestellt. BZ 27.12.1967 In der BZ stand: Jetzt 1,3 Millionen für Kaiser-Rentner. Franz Kaiser unterstrich die Bedeutung der Rationalisierung im Betrieb. Deshalb habe Kaiser-Uhren auch 1967 mehr investiert als im Vorjahr.“ Es gab Zuschüsse für Ferienaufenthalte, für den Mittagstisch, die Notstandsunterstützung und die Gratifikationen. []
  4. SAVS 1.16-1998. SK 20.12.1968 Kaiser-Werke schauen optimistisch in die Zukunft. Fernsehgeräte-Produktion um 30 Prozent gesteigert – Exportanteil erhöht. []
  5. Vermutlich war mit „Interessenpolitik“ die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen durch die Gewerkschaften gemeint. []
  6. SAVS 1.16-1998. Südkurier 23.12.1968 Der Uhrenexport wurde durch neue modische Modelle beeinflusst. []
  7. SAVS 1.16-1998 SK 23.12.1968 Der Uhrenexport wurde durch neue modische Modelle beeinflusst. Bei der Jubilarehrung der Firma Kaiser-Uhren sprach Rudolf Kaiser über das vergangene Jahr. Für freiwillige Sozialaufwendungen und Weihnachtsgratifikationen wurden 300 000 DM aufgewendet. „ Aus der ‚Josef-Kaiser-Gefolgschaftshilfe‘ wurden 60 000 DM an Unterstützungen gezahlt. In diesen Summen sind 30 Prozent Urlaubsvergütungen (140000 DM) nicht enthalten.“ []
  8. a.a.O. „Vor allem die Personalkosten laufen den Uhrenpreisen weit voraus“. []
  9. a.a.O. Schwabo 23.12.1969 Überaus guter Umsatz gewährleistet die Beschäftigung. Gute Prognose von Fabrikant Kaiser für das neue Jahr./ Nur Exportsteuer bereitet Schwierigkeiten/ Jubilarehrung in der Tonhalle. []
  10. SAVS 1.16-1998. Schwabo 21.12.70. Oskar Kaiser sieht für die Uhren-Branche ‚schwarz‘ Durch Rezession und Unruhen Absatzschwierigkeiten in Exportländer / Weiterhin Vollbeschäftigung gewährleistet. []
  11. SAVS 1.16-1998. Schwabo 21.12.70 []
  12. SAVS 1.16-1998. Schwabo 21.12.1970 []
  13. SAVS 1.16-1998. BZ 27.12.1971 Mit den Uhren konkurrenzfähig bleiben. []
  14. SAVS 1.16-1998. 7652 Kaiser-Uhren, Südkurier 18.12.1973 []
  15. Noch 1968 wurde die Unterstützungskasse der Firma als „Josef-Kaiser Gefolgschaftshilfe“ bezeichnet. []

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