Die Unternehmerfamilie Kaiser – eine angesehene Familie
122 Jahre Uhrenfabrik Villingen
Am 10.07.1974 wurde über das Unternehmen Kaiser-Uhren in Villingen das Konkursverfahren eröffnet. 631 Mitarbeiter erhielten die Kündigung;1 150 Mitarbeiter konnten im Rahmen des Verfahrens weiterbeschäftigt werden. Am 17.05.1975 wurde die Produktion endgültig eingestellt.
Dies war der erste spektakuläre Firmenzusammenbruch der Nachkriegszeit in Villingen-Schwenningen. Er kennzeichnete das Ende des Wirtschaftswunders in der gerade gegründeten Doppelstadt Villingen-Schwenningen.
Die Firma Kaiser-Uhren ging aus der ehemaligen Uhrenfabrik Villingen (gegr. 1852) hervor. 1914 erwarb Josef Kaiser aus Niedereschach diesen Betrieb und gründete die Firma „Uhrenfabrik Villingen, Josef Kaiser“.2
Vor dem Zweiten Weltkrieg produzierte dieses Unternehmen täglich 6000 Wecker.3 Der älteste Sohn Josef Kaisers, Franz Kaiser (1901 bis 1965), trat 1920 in das Unternehmen ein und übernahm nach dem Tod des Vaters zusammen mit seinen Brüdern Oskar und Rudolf die Leitung der Firma. Die Demontageschäden der Nachkriegszeit wurden schnell überwunden, das Unternehmen wurde ausgebaut durch weitere Zweigwerke, wie die Radio- und Fernsehgerätefabrik in Kenzingen und die Radiogehäusefabrik in Haslach.4 1970 gehörten zur Kaisergruppe vier Betriebe: die Uhrenfabrik J.Kaiser, GmbH Villingen, das Uhrenwerk Schwarzwald GmbH Villingen, die Badischen Uhrenwerke GmbH (BADUF) Furtwangen und die Gebrüder Kaiser Uhren- und Apparatebau OHG Kenzingen.5
Ende der 60er Jahre geriet Kaiser-Uhren immer mehr in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die trotz Rationalisierungs- und Kooperationsmaßnahmen nicht mehr überwunden werden konnten.
Nicht nur ein Mensch – sondern ein Herr !
Zum 60. Geburtstag von Franz Kaiser, dem ältesten der Kaiser-Brüder, schrieb das Uhrenjournal1961, der Jubilar würde zu den Pionieren der Schwarzwaldindustrie zählen. Er sei verantwortlich für den erfolgreichen Nachkriegsausbau des Unternehmens gewesen.6
Zu seinem Tod am 16.April 1965 würdigten die Nachrufe seine Lebensleistung. Als Vorsitzender des Verbandes der badischen Uhrenindustrie, Vorstandsmitglied des Verbandes der deutschen Uhrenindustrie, Beiratsmitglied der Industrie- und Handelskammer, Beirat der deutschen Bank, und Vorstandsmitglied des südbadischen Arbeitgeberverbands habe er großen Einfluss auf die Wirtschaft der Region ausgeübt. Der passionierte Reiter, der es liebte sich auf Fotos mit seinem Pferd zu zeigen, sei „nicht nur ein Mensch“ gewesen, “ sondern „er war ein Herr“ kommentierten die Zeitungen.7 Franz Kaiser habe zur „Garde des Schwarzwälder Unternehmertums“ gehört, mit „weltweitem Blick und traditionsbewusstem Sinn“ sein Unternehmen geführt und sei dabei immer für die „kleinen Nöte und Sorgen“ seiner „unterstellten Belegschaftsmitglieder“ offen gewesen. Hervorgehoben wurde seine „patriarchalische Lebenseinstellung“.8
Die Unternehmerfamilie war hochgeachtet und in Villingen ins städtische Leben integriert. Die Witwe Franz Kaisers wurde zu ihrem 60. Geburtstag als „ Glonkimotter“ geehrt.9
Über Oskar Kaiser, der nach dem Tode des Vaters 1942 zusammen mit seinen Brüdern Franz und Rudolf die Geschäftsführung übernahm, berichteten die Zeitungen: Er „war an der Aufwärtsentwicklung der Firma von damals 250 Mitarbeitern auf heute 1900 Betriebsangehörige“ maßgeblich beteiligt. „Sein Aufgabenbereich erstreckt sich vornehmlich auf den technischen Bereich.“ Oskar Kaiser engagierte sich seit 1956 „als Mitglied der CDU-Fraktion im Gemeinderat“, er war „in mehreren Ausschüssen zum Wohl der Bürger Villingens tätig“, er war Kurator der Staatlichen Ingenieurschule Furtwangen, Ausschussmitglied im Arbeitgeberverband der Badischen Eisen- und Metallindustrie Freiburg und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie in Stuttgart. „Sein junggebliebenes Herz… gehört (e) … der Jugend und dem Sport“. Seit 1949 war er Präsident des FC 08.“10
„Er habe großes Ansehen und einen großen Freundeskreis.“11
- Hans-Heinrich Schmid, Lexikon der deutschen Uhrenindustrie 1850 bis 1980. Bd.2 Nürnberg 2012. S. 471. [↩]
- a.a.O. S. 471. „Josef Kaiser (*07.03.1875,+01.10.1940) wurde in Lenzkirch geboren und hatte bei der Firma Lenzkirch gründliche Kenntnisse in der Uhrenfertigung erworben. Danach war er in verschiedenen weiteren Uhrenfirmen tätig und kam 1914 zur Uhrenfabrik Villingen.“ [↩]
- a.a.O. [↩]
- Stadtarchiv Villingen-Schwenningen (SAVS) 4.9-70 Angaben zum Tod von Franz Kaiser. [↩]
- IGMetall Geschäftsbericht 1972-1973-1974. Verwaltungsstelle Villingen-Schwenningen. S. 26 [↩]
- SAVS 4.9-70 ohne weitere Angaben. [↩]
- SAVS 4.9-70 ohne weitere Angaben. [↩]
- SAVS 4.9-70 [↩]
- SAVS 1.16-1998, Schwarzwälder Bote (Schwabo) 12.9.66 [↩]
- SAVS 1.16-1998 . Badische Zeitung (BZ) 17,/18,12.1966 Auch der Chef hat Jubiläum, Südkurier (SK) 25.2.1967 Oskar Kaiser 60 Jahre. [↩]
- SAVS 1.16-1998 Schwabo 28.2.1972 [↩]