Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Heimatstolz, Basis der industriellen Dynamik

geschrieben am: 08.01.2016 von: Annemarie Conradt-Mach in Kategorie(n): Cluster, Vorgeschichte

Die Bedeutung der Amerikaneruhr
Die entscheidende Innovation war für die Schwenninger Industrie die Herstellung der Uhren nach amerikanischem System.1

Amerikanerwerk

Amerikanerwerk (Bild: Siegfried Heinzmann)


Den Anfang machte 1886/87 die Firma Mauthe, 1889 folgte die Firma Thomas Haller und 1894 die Firma Schlenker und Kienzle.
Bereits 1861 erkannte der Schwenninger Unternehmer Johannes Bürk die Bedeutung des amerikanischen Uhrenbaus als Vorbild für die Schwarzwälder Industrie. Die amerikanischen Uhren seien von schlechter Qualität, die daher in Deutschland keinen Absatz gefunden hätten und immer noch im Hamburger Hafen auf ihre Käufer warteten. „Diese wohlfeilen Uhren, wie sie aus Amerika kommen, können ohne gründliche Repassage2  in der Regel gar nicht gebraucht werden, und diese Repassage kostet an Plätzen, wo die Uhrenfabrikation nicht zu Hause ist, so viel Geld, daß diese Uhren immerhin nicht mehr so wohlfeil genannt werden können. Daher kommt es auch, daß die Einfuhr amerikanischer Uhren entfernt nicht so bedeutend geworden ist, wie die deutschen Fabrikanten anfangs befürchteten. Danach können wir die amerikanischen Fabrikate in einer Hauptsache als unsere Lehrmeister betrachten: in der ausgedehnten Anwendung von Maschinen.“ Bürks Rezept für die Nachahmung des amerikanischen Systems lautet: „Sparen wir dann etwas weniger als die Amerikaner am Material und verwenden wir mehr Arbeit als sie auf die Vollendung, wozu wir durch wohlfeileres Material und billigere Arbeitslöhne in die Lage gesetzt sind, so wird der Schwarzwald wohl die Großmacht der Industrie wohlfeiler Uhren bleiben.“ Der Vorzug der amerikanischen Industrie sei ihr großes Kapital, deshalb müsse die deutsche Uhrenindustrie mit aller Kraft auf Maschinenbetrieb umstellen.3

Kapital
1861 aber fehlte das Kapital und vermutlich auch die Nachfrage4  nach einem Massenangebot an billigen Uhren. Das Kapital mußte in Schwenningen oft über mehrere Generationen im handwerklichen Familienbetrieb angesammelt werden. Begünstigende Faktoren für die Durchsetzung der Uhren nach „amerikanischem System“ waren neben der gestiegenen Nachfrage nach preiswerten Uhren durch den industriellen Aufschwung auch Änderungen der Zollgesetzgebung in den Einfuhrländern ganz besonders auf dem österreichischen Markt, der Gewichtszölle erhob, was für die rohstoffsparenden und damit leichteren Amerikanerwerke Vorteile gegenüber den massiven Uhren brachte.

Die Einführung dieses Produktionssystems in den Schwenninger Betrieben leitete eine enorme Industrie- und Beschäftigungsexpansion ein.5
Im Zuge dieser Expansion wurden eine Vielzahl weiterer Fabriken gegründet, deren wesentlicher Abnehmer die „Großindustrie“ war. Die wirtschaftliche Situation der Gemeinde verbesserte sich zusehends, das Ansehen der Gewerbetreibenden gegenüber der bäuerlichen Schicht stieg und damit auch die Auseinandersetzung zwischen den konservativen Bauerngeschlechtern und den fortschrittlich gesonnenen gewerbetreibenden Familien.6
1890 hatte der Gewerbestand die Bauern, was die Steuerleistung anbelangte, überrundet.7

Identifikation mit der gemeinsamen Leistung

Die Expansion der Uhrenindustrie begründete den schnellen Reichtum und Wohlstand Schwenningens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.8
Die metallverarbeitende Industrie ermöglichte im deutschen Südwesten im Vergleich zu anderen Industriezweigen die größten Einkommenssteigerungen bei relativ niedrigem Betriebskapital. Eine Einsicht, die viele Schwenninger konsequent nutzten, eine Einsicht, die die Grundlage einer verbreiteten Aufstiegsmentalität wurde.

Um 1885 gab es in Schwenningen ein regelrechtes Gründungsklima. Die aus die¬sem Fortschrittsfieber entstandene Schwenninger Zeitung9 überliefert diese Einstellung. Man freute sich am überall sichtbaren Aufschwung, an dem alle Kräfte mitzuarbeiten schienen. Im Gegensatz zur katholischen badischen Nachbarstadt Villingen, hier waren die bedeutenden Fabrikanten teilweise evangelische Neubürger10 , waren die Schwenninger Fabrikgründer gut ins Dorf integriert, durch vielfältige Verwandschafts- und Heiratsbeziehungen mit der Dorfgesellschaft verbunden.11 Alle Schwenninger Unternehmer entstammten der Schicht der einheimi¬schen ländlichen Gewerbetreibenden.
Fragt man nach den Bedingungen, die Schwenningen zur „größten Uhrenstadt der Welt mach-ten“, wie in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts stolz behauptet wurde, so läßt sich ein ganzes Bündel von Ursachen finden. In der Literatur wird gern die Bedeutung des einzelnen Unternehmers12 hervorgehoben, Friedrich Mauthe, Johannes Bürk, Jakob Kienzle werden als die Pioniere der Schwenninger Uhrenindustrie gesehen, dabei ist deren Leistung nur verständlich in einem Bezugsystem von Kooperation und Konkurrenz einer schon recht arbeitsteilig organi¬sierten Hausindustrie.13
Vormals selbständige Kleinmeister wurden zum Zulieferbetrieb für eine größere Werkstatt aber auch zum abhängigen Lohnarbeiter oder zum Unternehmer. Die neue Fabrikindustrie profitierte von allen.14

Arbeitskräfte
Biographien ehemaliger Hausindustrieller, die später als Fabrikarbeiter ihr Brot verdienten, sind selten überliefert, obwohl ihre Zahl sicher größer ist als die derjenigen, die später Fabrikant wurden. Eine Reportage der sozialdemokratischen Zeitung „Volksstimme“ von 1933 berichtet über den 90-jährigen Fabrikarbeiter, Jakob Schlenker. Dieser arbeitete in jungen Jahren als Uhrenhändler und bereiste mit der Kräze bayrische Märkte u.a. Donauwörth und Ingolstadt. Später betrieb er ein eigenes Geschäft und verkaufte seine Uhren in die Schweiz und nach Österreich. Auch in Köln hatte er Kundschaft. „Als ehrlicher Uhrmacher“ so die Volksstimme, „konnte er allerdings dabei keine Reichtümer sammeln. Später schaffte er fast ein halbes Jahr-hundert bei der Firma Mauthe. Bis zu seinem 83. Lebensjahr ging er täglich in die Fabrik. Das Werk [die Firma Mauthe] ist während der Zeit gewachsen und gediehen. Nimmt es Wunder, wenn der alte Uhrma¬cher selbst als hochbetagter Greis sich nicht gerne von seinem Arbeitsplatz trennen wollte.“ Jakob Schlenker erhielt „mancherlei Anerkennung“ für seine Verdienste bei Mauthe, auf die er sehr stolz war. Er sah die Erfolge der Firma Mauthe auch als seine persönlichen Erfolge an.15
Die Leistungen der Schwenninger Industrie wurden als gemeinsame Leistung von Unternehmer und Arbeiter verstanden. Daraus leitete die Ortszeitung „Die Neckarquelle“ ein spezifisches Schwenninger Verhältnis zwischen den „sozialen Klassen“ ab. „Nicht herrschen, oben herabsehen und heuchlerische Demuth, sondern vertrauensvolles und ehrenhaftes Entgegenkommen bezeichnet deren geschäftlichen Verkehr.“16
Diese Bedeutung der hausindustriellen Uhrmacher für die spätere Fabrikindustrie sahen auch die ersten Fabrikanten, die immer wieder die gemeinsame Leistung des Schwenninger Gewerbestandes für den neuen industriellen Wohlstand betonten. So z.B. der Fabrikant Jakob Kienzle17
, wenn er die Voraussetzungen der Schwenninger Industrie beurteilt. Die ehemaligen Uhrenhändler seien für ihn „eigentlich die ersten Pioniere der hiesigen Uhrenindustrie“, weil sie für den nötigen Absatz der Produkte gesorgt hätten. Nur durch die Förderung des Handels, sei auch die Erzeugung der Uhren gefördert worden,18
aber auch der Fabrikant Richard Bürk sieht dies so, der 1904 den Schwenninger Wohlstand als ein Produkt aller Uhrenmacher bewertet.

Heimatstolz gegenüber dem Umland
Die eigene industrielle Entwicklung wurde mit Stolz betrachtet. Durch diese Erfolge im ge-werblichen Bereich unterschied man sich positiv von den Nachbarstädten, den neuen Wohl-stand verdankte man dem Geschick der eigenen Bürger, staatliche Eingriffe in die Wirtschaft der Gemeinde hatte man eher als hinderlich erlebt, wie das Beispiel der Saline zeigt, oder aber als zu kleinlich empfunden, wie die staatlichen Fördermaßnahmen für die Württembergische Uhrenfabrik beweisen. Man fühlte sich immer gegenüber den anderen benachteiligt oder aber von diesen übervorteilt, es gab quasi eine Haltung, die Auswärtigen wollen uns nur ausbeuten. Die frühen Anstrengungen eine eigene württembergische Messinggießerei einzurichten, hatte zur Grundlage die Überzeugung, dass man an seinem wirtschaftlichen Fortkommen vor allem durch die Gewinninteressen der badischen Uhrmacher gehindert werde. Schließlich holten viele Uhrmacher ihre Bestandteile aus dem badischen Ausland, nach allgemeiner Anschauung zu überhöhten Preisen.
Die Initiativen zur Industrialisierung kamen aus der eigenen Uhrenmacher- und Uhrenhändlerschicht bzw. aus den am Gewerbe interessierten Kreisen. Die Schwenninger jedenfalls, zumin-dest stellt sich dies in der ersten Schwenninger Zeitung, der Neckarquelle, so dar, empfanden dies so, und wurden nicht müde, diese Tatsache immer wieder zu betonen unter dem Gesichtspunkt, daß die heimische Industrie etwas ganz besonderes sei, im Gegensatz zur industriellen Welt der Nachbarstädte Villingen, Donaueschingen und Rottweil. 1885 erklärte dazu die Heimatzeitung: „Schwenningen, das vermittels seiner geographischen Lage wenig günstig liegt und auch sonst durch öffentliche Anstalten oder Stiftungen, wie es bei anderen Städten und Ortschaften der Fall ist, für die Entwicklung des Ortes wenig oder gar keinen Nutzen hat,… hat sich durch Fleiß und Intelligenz seiner Einwohner selber geholfen und ist zu einem guten Geschäfts-Platz herangewachsen, der zu den besten Hoffnungen berechtigt ist.19
Die Industrie, dieses Bollwerk, gepaart mit einer gut geführten und fleißig gepflegten Ökonomie, kann man ihm und wird man ihm nicht nehmen, so lange seine Fabrikanten so rastlos weiterstreben und unentmuthigt auftreten im Kampf der Konkurrenz, so lang der Bauer seiner mühevollen und oft wenig tragenden Arbeit unermüdlich nachkommt und (daß) dies geschieht, dafür bürgt uns der fleißige und streb¬same Sinn der Einwohner.“20

Voller Stolz blickt man auf den wirtschaftlich „überflügelten“ badischen Nachbarn herunter, der nicht in der Lage war den Mittelstand an die „heutigen Erwerbsbedingungen“ anzupassen. Ihm habe die „Rührigkeit der Fabrikanten“ und „der eiserne Fleiß“ der Bauern gefehlt. In Schwenningen habe man eben gewußt, daß man nicht nur das „Fabrikat“ sondern auch die „Einrichtungen verbessern und erweitern“ müsse, während der Nachbar sich auf sein altes Renommee verließ.
In Schwenningen wüßten die Handwerker, „daß die Arbeit überall ehrend“ sei, und „hielten es für keine Schande, auf ihre Meisterschaft zu verzichten und in die Fabrik zu gehen“ und die Bauern nähmen, „da die Feldgeschäfte ihren Wirkungskreis nicht mehr ausfüllten – weil der Mittel- und der Arbeiterstand wohl in Ermangelung einer Aussicht auf Spitalversorgung und einer großen Bürgernutzung für die Kraftausnützung auch seines Hausstandes nebenher immer mehr Grund und Boden“ erworben habe – „nach dem Pflug den Lastwagen zur Hand“ und machten sich „ebenfalls der Industrie- und der Bautätigkeit dienstbar, während andere es be-quemer finden, ihre Felder zu verpachten und auf den Zins zu warten, oder gar sie brach liegen zu lassen.“ Man sei eben kein „Herrenstädtle“ und von dem bewährten Schwenninger Bürgersinn sei zu erwarten, daß er den im Flug erworbenen“ wirtschaftlichen Aufschwung sichern werde.21

Von der Schwenninger Uhrenindustrie ist nicht viel übrig geblieben. Aber sie hinterließ eine breite Schicht an Menschen, die über Kenntnisse der Feinmechanik verfügten, Menschen, die familiengeschichtliche Traditionen mitbrachten, dass man mit diesen Kenntnissen auch Unternehmen gründen konnte.

  1. Kahlert, Helmut: Zur Rezeption der „Amerikaneruhr“ in Deutschland, S. 22f. Der amerikanische Uhrenbau wurde 1837/39 von Chauncey Jerome entscheidend geprägt. 1865 wurden „amerikanische Uhren“ in dreißig Länder exportiert, u.a. nach Großbritannien, Norddeutschland und Skandinavien. „Die wesentlichen Änderungen und Verbesserungen zwischen 1850 und 1870 … verliefen in zwei Richtungen: Entstehung von Bestandteilfabriken für die klassischen Schwarzwalduhren, besonders die immer beliebter werdende Schottenuhr, und die Herstellung massiver Messingwerke nach französischem und Wiener Vorbild.“ Es ist nicht geklärt, wer als erster in Deutschland ein den „Amerikanerwerken“ ähnliches Uhrwerk baute. Ansprüche anmelden können Junghans, Wilhelm Jerger/ Niedereschach, Haas u. Söhne/St. Georgen. Entscheidend sind die Jahre zwischen 1870 und 1880, „danach ist das abgewandelte Amerikanerwerk nicht mehr aufzuhalten.“ Um 1890 geraten zwei große deutsche Uhrenfabriken, die nach klassischem Vorbild produzierten in Bedrängnis. – a.a.O. S.28 Die Uhrmacher lehnten das amerikanische Fertigungsverfahren ab. „Diese Art der Uhrenherstellung läßt ihnen nur noch Teilaufgaben. Qualitätsargumente werden vorgeschoben, um Berufsprobleme zu verdecken.“ Vgl. Kuckuck, Julius: Die Uhrenindustrie des Württembergischen Schwarzwalds, S. 63 ff. 95 Prozent der Jahresuhrenproduktion des württembergischen Schwarzwalds wurden nach amerikanischem System gefertigt. []
  2. Nachbearbeitung []
  3. Bürk, Johannes: Über die amerikanische Uhrenproduktion. S. 290 f . Ebenso :Die Amerikaneruhren aus dem württembergischen Schwarzwald, S. 118 ff. In: Gewerbeblatt aus Württemberg ,1878 []
  4. Die Nachfrage nach billigen Uhren stieg gerade durch die Industrialisierung und den durch dieselbe hervorgerufenen genaue Festlegung von Arbeitszeiten. Die Billiguhr schlechthin war der Wecker. Vgl. hierzu Mühe, Richard/ Kahlert, Helmut/ Techen, Beatrice: Wecker, S.18f und Conradt, Uwe: Die Uhr im Zeitalter der Industrie, S. 21-27. []
  5. Dieses Produktionssystem wurde auch mit Werkzeugmaschinen eingeführt, die zuerst in Amerika eingesetzt wurden. Vgl. Mommertz, Karl-Heinz: Bohren, Drehen und Fräsen, S. 86 ff und Ruppert, Wolfgang: Die Fa¬brik, S. 41. []
  6. LKA Pfarrbericht 1859, 1868, 1873 []
  7. Bürk, R.: Tätigkeitsbericht 1901 []
  8. Boelcke, Willi A.: Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs, S. 250 ff . Die metallverarbeitende Industrie Württembergs erzielte mit wesentlich geringerem Kapital in sehr kurzer Zeit erheblich höhere Einkommen als die Textilindustrie. Die wirtschaftlichen Erfolge Schwenningens im 19. und 20. Jahrhundert sind vor al¬lem auf die Uhrenindustrie zurückzuführen. []
  9. Gegründet 1880 []
  10. Bender, Gerd: Die Uhrenmacher des hohen Schwarzwaldes und ihre Werke, Bd. II. Leider gehen aus der Übersicht über die Schwarzwälder Uhrenfabriken keine speziellen Merkmale hervor, durch die sich die Schwarzwälder Uhrenunternehmer hervortaten. Die Gründung der Fa. Junghans scheint zumindest eher auf eine zugereiste Familie zurückzugehen. []
  11. Dieser Sachverhalt scheint eher selten zu sein, man vergleiche z.B. die Textilindustrie des Wiesentals, (Vgl. Ott, Hugo: Der Schwarzwald, S. 399) die von Schweizer Unternehmern gegründet wurde, oder auch die Schramberger Firma Junghans. Der Firmengründer war ebenfalls kein gebürtiger Schramberger, obwohl er schon in jungen Jahren nach Schramberg gekommen war. Vgl. Bender, G: Bd. 2. Ein Vergleich mit den Schwenninger Unternehmern zeigt aber, daß kaufmännisches Denken sowie Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung wesentlich für den Werdegang eines Uhrenfabrikanten waren. []
  12. Boelke, Willi A.: Sozialgeschichte Baden-Württembergs, S.129 „In größerem Maße … ergänzte sich das frühe Unternehmertum aus der gewerblichen Mittelschicht, dem Kleinbürgertum, das in seiner Masse von der Handwerkerschaft in Stadt und Land repräsentiert wurde. Tatkraft, Erfindungsgabe und Weitsicht vieler Handwerksmeister in größeren und kleineren Städten bildeten die Grundlage für den Ausbau ihrer Betriebe zu Fabriken. Viel Kapital war nicht vorhanden; das Geschäft wurde gewöhnlich vom Vater ererbt oder durch Heirat erworben. Eine aus dem Jahre 1947 stammende, sicher mit manchen Unvollständigkeiten behaftete Firmenerhebung (WA Hohenheim) überlieferte für die Kammerbezirke Rottweil und Villingen 49 Industriebetriebe (einschließlich Brauereien), die ihre Gründung in die Zeit von 1800 bis 1850 zurückschrieben, doch waren 38 dieser Unternehmen (= 77,5%) ihrem Ursprung nach als Handwerksbetrieb einzustufen, die sich erst im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und später zu Industriebetrieben mauserten (viele Uh¬renfabriken darunter).“ Zum gleichen Thema: Kahlert, Helmut: 300 Jahre Schwarzwälder Uhrenindustrie, S. 169 ff, Kapitel: Die Uhrenfabriken entstehen. Darin besonders 4.3.3. Die Schwenninger Uhrenfabrikanten, S. 199 ff. Nach Kahlert konnte „eine florierende Werkstatt, die über den Rahmen des Hausgewerbes hinausgewachsen war, … aus eigener Kraft nur allmählich die zur Finanzierung eines Fabrikbetriebs nötigen Kapitalien aufbringen.“ Ebenda, S. 169: Das Kapital sei im wesentlichen daher aus dem Uhrenhandel gekommen. Ebenda, S. 171: „Während in Schramberg die Uhrenindustrie von Orts- und Branchenfremden ohne Bindung an eine örtliche Gewerbetradition entwickelt wurde, vollzog sich der Übergang zum Fabrikbetrieb in Schwenningen ungleich mühsamer; denn Schwenningen war die einzige bedeutende Gemeinde außerhalb des badischen Schwarzwaldes, in der sich Generationen hindurch die hausgewerbliche Uhrmacherei verfesti¬gen konnte.“ Ebenda, S. 192: Die Schwenninger Uhrentechnik war nach Kahlert rückschrittlicher als die badische. „Kennzeichnend ist weiterhin, daß die Absatzgebiete der auffallend vielen Schwenninger Uhrenhändler in Österreich-Ungarn und Rußland lagen, badische Uhrmacher hingegen haben besonders England und Frankreich beliefert, Länder mit höherer Kaufkraft und höheren Ansprüchen.“ Ebenda, S. 194 Besonders bemerkenswert die Tatsache: „Alle Gründer von Uhrenfabriken stammten aus dem Ort, alle haben sie zuerst mit dem Bau massiver Messingwerke begonnen. Doch erst der Übergang zum Amerikanerwerk und damit zur Massenfabrikation billiger Uhren brachte nach 1890 den großen Aufschwung des „Uhrmacherdorfes“. Vgl. Ebenso: Kaschuba, Wolfgang/ Lipp, Carola: 1848 – Provinz und Revolution. Darin besonders Kap.: Die Gründer – Herkunft und Initiative lokalen Industriebürgertums. S. 76-81 []
  13. Halder, Gerhard: Strukturwandel in Clustern am Beispiel der Medizintechnik in Tuttlingen. Stuttgart 2005. S. 21 allein das Cluster ermöglicht Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerbern außerhalb des Cluster. „Eine Konzentration von Unternehmen kann im Falle aktiver Zusammenarbeit und Kooperation Ressourcen erschließen, welche die Möglichkeiten eines jeden einzelnen übersteigt… Arbeiten zur gemeinsamen Effizienz haben am Beispiel von Entwicklungs- und Schwellenländern gezeigt, wie die gemeinschaftliche Beseitigung von Engpassfaktoren die Wettbewerbsfähigkeit einer Konzentration insgesamt stärkt.“ []
  14. Halder, Gerhard: Strukturwandel in Clustern am Beispiel der Medizintechnik in Tuttlingen. Stuttgart 2005. S. 20 Die Spezialisierung von Unternehmen führt … zu Ersparnissen durch degressive Stückkosten. „Die Spezialisierung lässt einen Markt für besondere Fähigkeiten und Kenntnisse entstehen. Eine wirtschaftliche Konzentration ermöglicht somit die Ausbildung eines quantitativ und qualitativ hochwertigen Arbeitsmarkts, sowie die Ansiedlung spezialisierter Zulieferer und Kunden auf der Grundlage gemeinsam erzielter Größenvorteile.“ []
  15. SAVS Best. 5.22. Chronik 764 , Zeitungsbericht aus der Volksstimme 21.1.1933 Was uns alte Schwenninger erzählen.. Vgl. Ebenso die Biographie des Uhrmachers Martin Jauch, der bereits in dem ehemaligen Handwerksbetrieb des Thomas Haller beschäftigt war und dadurch alle Stadien der Schwenninger Industrialisierung miterlebte. Die Wertschätzung, die dieser Uhrmacher in seinem Betrieb genoß, dokumentierte dieser an seinem Begräbnis. Vgl. NQ 13.11.1902 „Heute wurde in unserer Gemeinde ein Veteran der Uhrenindustrie zu Grabe getragen. Martin Jauch, Uhrmacher, ist nach kurzem Kranksein im Alter von über 70 Jahren an Altersschwäche gestorben. Im Jahre 1858 trat er bei Herrn Thomas Haller, dem Gründer der Firma gleichen Namens und Vater der bisherigen Firmeninhaber ein und war bis zu seiner vor einigen Wochen beginnenden Krankheit ununterbrochen, volle 44 Jahre in diesem Geschäft tätig. Er hat die ganze Entwicklung der Uhrenfabrikation, von der damaligen einfachen Hausindustrie bis zu dem jetzigen Stande der Großindustrie in allen Stadien mitgemacht und ist bis in sein hohes Alter in dem erlernten Berufe tätig gewesen. Von seiten seiner Arbeitgeber hatte er sich wegen seiner Treue, Anhänglichkeit und Tüchtigkeit besonderer Wertschätzung und Liebe zu erfreuen, die auch bei seinem Hinscheiden in dankbarer Weise zum Ausdruck kam. Mar¬tin Jauch wurde im Jahre 1899 durch Verleihung der silbernen Medaille der König-Karl-Jubiläumsstiftung ausgezeichnet. Seine Arbeitgeber, die Beamten und Angestellten sowie sämtliche Arbeiter der Fabrik nah¬men an dem Leichenbegängnis teil und erwiesen dem beliebten und treuen Mitarbeiter die letzte Ehre. Der dahingeschiedenen war nicht nur für seine Mitarbeiter sondern auch für weitere Kreise ein seltenes Vorbild treuester Pflichterfüllung, das in unserem Wechselvollen und raschlebigen Zeit ganz besondere Anerkennung verdient. Möge er von seinem wohl vollbrachten Tagewerk im Frieden ruhen!“ []
  16. NQ 30.12.1884 (25-jähriges Jubiläum des Gewerbevereins). []
  17. NQ 4.12.1907 Fabrikant Kienzle, Die Entwicklung unserer Heimatgemeinde Schwenningen. Fa.Schlenker &Kienzle (Hrsg.), Festschrift aus Anlaß des fünfundzwanzigsten Jahrestages. []
  18. A.a.O. „Um das beschwerliche Hausieren und das Reisen in die weite Welt möglichst einzuschränken, wurden in Schwenningen von einzelnen Uhrenhändlern sogenannte Packereien eingerichtet, welche die Uhren, die sie in der Familie selbst machten, oder bei den Uhrmachern kauften, an die Kundschaft weitersandten, welche sie auf ihren Wanderungen entdeckten oder gründeten. Die Kaufmannschaft in Schwenningen hat sich anfangs der 50er Jahre des Uhrenhandels angenommen und war der erste, der dies tat, der Kaufmann Friedr. Mauthe neben der Krone, dem später Kaufmann Müller-Osiander und Kaufmann Johannes Mauthe beim Rathaus folgten. Die zwei letzteren Geschäfte wurden aber nicht weitergeführt, so daß dem verstorbenen Kaufmann Friedrich Mauthe der Ruhm gebührt, den hiesigen Uhrenhandel in den richtigen Schwung gebracht und dadurch die Erzeugung der Uhren gefördert und deren Verschleiß vereinfacht zu haben.“ []
  19. Halder, Gerhard: Strukturwandel in Clustern am Beispiel der Medizintechnik in Tuttlingen. Stuttgart 2005. S. 21 allein das Cluster ermöglicht Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerbern außerhalb des Cluster. „Eine Konzentration von Unternehmen kann im Falle aktiver Zusammenarbeit und Kooperation Ressourcen erschließen, welche die Möglichkeiten eines jeden einzelnen übersteigt… Arbeiten zur gemeinsamen Effizienz haben am Beispiel von Entwicklungs- und Schwellenländern gezeigt, wie die gemeinschaftliche Beseitigung von Engpassfaktoren die Wettbewerbsfähigkeit einer Konzentration insgesamt stärkt.“ []
  20. NQ 30.6.1885 (Schwenninger Bautätigkeit). []
  21. NQ 13.12.1890. Siehe auch: Halder, Gerhard: Strukturwandel in Clustern am Beispiel der Medizintechnik in Tuttlingen. Stuttgart 2005. S. 32f Clustertheorie will Unterschiede der Wettbewerbsfähigkeit erklären. Wettbewerbsvorteile würden erarbeitet und nicht ererbt. „nationale Prosperität wird erarbeitet und nicht ererbt. Sie wächst nicht aus dem natürlichen Reichtum eines Landes, seinem Arbeitsmarkt, seinem Zinsniveau oder dem Wert seiner Währung, wie die klassische Wirtschaftswissenschaft nahe legt (…) Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hängt von der Fähigkeit seiner Industrie ab, Innovationen hervorzubringen und sich zu verbessern.“ (Porter 1990, S. 73 f). []

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