Kienzle: Umstellung auf moderne Technologien
1975 hatte Kienzle noch Umsatzeinbußen von 16 % hinnehmen müssen, 1976 lief das Unternehmen wieder auf vollen Touren, die Kurzarbeit war vorbei, es gab Vollbeschäftigung. (( StAVS 4.9-29. SWP 13.8.1976, Auf vollen Touren, Kienzle-Uhrenfabriken sind auf Monate hinaus voll beschäftigt.))
Der Arbeitsplatzabbau wurde weiter konsequent betrieben, die notwendigen Sozialpläne dafür kosteten 1 Million DM.
Die neuen Produktlinien des Unternehmens orientierten sich am „konsequenten Austauschbau durch weitgehende Verwendung gleicher Teile und Baugruppen“, an der „Anwendung günstiger Werkstoffe“, vor allem Kunststoffe und an der Anwendung elektronischer Möglichkeiten. (( StAVS 4.9-29, Dr. Albrecht Haag, Die batteriebetriebenen Kienzle-Weck-, Termin- und Reiseuhren. Beispiel einer zeitgemäß konzipierten Produktfamilie. In: neue Uhrmacherzeitung Nr. 11 / 77 v. 30.6. 1977, S. 21-26))
1978 begann Kienzle mit der Diversifizierung. Man plante ein „neuartiges Chirurgisches Skalpell. Gleichzeitig wurde das Koreaengagement eingestellt. Schuld daran seien die inzwischen „erheblichen koreanischen Inflationsraten“ (( A.a.O. Stgt. Ztg. V. 20.4.1978. Kienzle Uhren beginnt mit Diversifizierung.)) 1980 stellte das Unternehmen außerdem Antriebe für Außenspiegel an Autos her. Geschäftsführer Börger frohlockte: „Wir sind ununterbrochen in den schwarzen Zahlen.“ (( A.a.O. Stgt. Ztg. V. 22.4.1980 Kienzle diversifiziert.))
Bis 1980 erholte sich die Uhrenindustrie wieder. Bei Kienzle wurden Quarzuhren produziert, der Export lag bei 55 Prozent. Zu den Besonderheiten der Kienzle –Uhrenkollektion gehörte „ein mikroprozessorgesteuertes vollelektronisches Schlagwerk, das mit Westminster – oder Bim-bam-Schlag“ programmiert war. (( A.a.O. FAZ v. 23.4.1980))
Zusammenbruch des Kreidler-Konzerns
Am 9. September 1980 starb der Kienzle-Hauptgesellschafter Alfred Kreidler im Alter von 83 Jahren in Küsnacht. (( StAVS 1.16 Nr. 11.109. Schwabo v. 16.9.1980)) Bereits im Februar 1981 brach das Kreidler-Imperium zusammen. „Wie es heißt, sollen entgegen früheren Angaben schon seit zwei Jahren Verluste erwirtschaftet worden sein in einer Größenordnung von über einer Million DM monatlich… Zudem gelten die Werksanlagen vor allem im Stuttgarter Stammwerk als veraltet…. Daß gegen die Verluste nicht rechtzeitig Maßnahmen eingeleitet worden sind, könnte nach Meinung von Beobachtern an Mängeln im innerbetrieblichen Informationswesen gelegen haben, wie überhaupt zum Zusammenbruch maßgeblich Management-Fehler beigetragen haben dürften.“ (( A.a.O. FAZ 24.2.1981. Kreidler gibt nach hohen Verlusten auf. Management-Fehler als Hauptursache/ Rund 1000 Beschäftigte entlassen/ Vergleichsquote von 40 Prozent?))Kienzle-Geschäftsführer Dr. Börger sollte nun auch in Stuttgart retten, was zu retten war. Leider gelang dies nicht. Im Nachhinein nach dem Zusammenbruch des Unternehmens urteilten die Medien, dass Schuld an dem Desaster die Unfähigkeit und Starrsinnigkeit des Konzernchefs gewesen sei. ((A.a.O. Spiegel v. 9.3.1981. Nichts ohne mich.))
Der Kienzle-Betriebsrat wurde am 23.2.1981 von den Freistellungen der 1400 Mitarbeiter in den Werken Stuttgart-Zuffenhausen und Kornwestheim informiert. Der „Liquidationsvergleich“ der Kreidler-Werke habe keinerlei Auswirkung auf das Unternehmen Kienzle-Uhren wurde versichert. (( A.a.O. Schwabo 24.2.1981. Kienzle-Uhren bleibt unberührt)) Ende Juni kündigte der Kienzle-Geschäftsführer Dr. Börger und ging zu Junghans. In der Fachpresse wurde das Ende von Kienzle-Uhren prophezeit (( Jan Lehmhaus, Tim Stefan Schmidt, Peter Welchering: Kienzle. Zürich 2008. S. 59)) , nachdem auch noch bekannt wurde, dass Kienzle-Uhren zum Verkauf ausgeschrieben worden war. (( StAVS 4.9-29. SK v. 27.6.1981. nach Börgers Abgang das ‚Aus‘ für Kienzle? Ebenso: a.a.O. FAZ v. 26.6.1981. Von Kienzle zu Junghans. „Zu dem kurzfristigen Wechsel sah sich Börger, wie es heißt unter anderem dadurch veranlaßt, daß die Erben des im vorigen Jahr verstorbenen Kienzle-Eigentümers, Alfred Kreidler, das Unternehmen offenbar verkaufen wollten, ohne daß die Geschäftsführung unterrichtet worden ist. Junghans scheint aber angesichts reichlich vorhandener Kapazitäten in der Branche an einem Kauf nicht interessiert. Börger hatte sich zudem in den letzten Monaten maßgeblich zur Lösung der Schwierigkeiten der Kreidler-Gruppe eingesetzt;…Schon damals hatte nicht immer Einverständnis zwischen den Entscheidungsträgern für die Familie Kreidler und Börger geherrscht.“))
Mit einem Schreiben an ihre Geschäftspartner versuchte die Geschäftsleitung die Lage wieder zu beruhigen. (( A.a.O. Kienzle-Schreiben v. 24.6.1981))
Ein Bankkredit von 4 Millionen Mark half die finanziellen Turbulenzen, die durch den Kreidler-Konkurs entstanden waren, zu überwinden. (( A.a.O. NWZ Göppinger Kreisnachrichten v. 27.6.1981. Die Banken haben einen Kredit von 4 Millionen Mark zugesagt.))
Die Fachpresse schrieb, dass es keine Auswirkungen des Kreidler-Konkurses auf die Uhrenfabrik Kienzle gebe: „Kienzle war und ist auch heute noch ein rechtlich und finanziell selbständiges Unternehmen, dessen Mehrheitsbesitz in den Händen der Erbengemeinschaft Kreidler liegt.“ ((StAVS 4.9-29 NUZ Schmuck Uhren 20/ 81. R.J. Ludwig: Weiterhin zu
verlässig und Leistungsfähig)) Kienzle würde derzeit täglich über 25 000 Uhreneinheiten produzieren. „Das bedeutet allein im Kunststoffbereich – im Spritzgußbetrieb wird in drei Schichten gearbeitet – ein Verbrauch von 20 Tonnen Granulat bei einem Stück pro Monat.“ (( A.a.O.))
Im Stammhaus seien 800 Mitarbeiter beschäftigt. Mitte des Jahres 1981 habe es nur in sehr geringem Umfang Kurzarbeit gegeben. Die Geschäftsführung von Kienzle-Uhren erklärte, das Unternehmen werde „neben der Produktion von Quarz-Uhrwerken, Großuhren (Wecker, Wanduhren) und Autouhren 1984 mit der Fertigung elektronischer Baugruppen für Kleincomputer beginnen.
Mit dem Einstieg in neue, zukunftsorientierte Produkte und Systeme [wolle] Kienzle-Uhren neben dem Aufbau eines ‚zweiten Beines‘ auch eine ‚technologische Befruchtung‘ der Zeitmeßsysteme erreichen…. Mit etwa 700 (Vorjahr 750) Mitarbeitern [würden] über sechs Millionen Armbanduhren, Großuhren, Autouhren und Quarzbatterie-Uhrwerke hergestellt. Der Exportanteil [liege] bei 60 Prozent…. Außerdem sei an eine Verlagerung der Fertigung an einen neuen Ort im Bereich Villingen-Schwenningen gedacht. Auch 1984 werde das Unternehmen rund fünf Prozent seines Umsatzes investieren.“