Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Johannes Bürk – die Württembergische Uhrenfabrik

geschrieben am: 05.01.2020 von: Ingeborg Kottmann in Kategorie(n): Johannes Bürk, Vorgeschichte, Württembergische Uhrenfabrik

Aufbau eines eigenen Unternehmens

Württembergische Uhrenfabrik 1870 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Württembergische Uhrenfabrik 1870 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Im Dezember 1855 wurden Bürk und der Schultheiß Lang verhaftet. Ende Februar 1856 wurde er ohne Verfahren oder schriftlichen Bescheid aus der Haft entlassen. „Sein eigenes Unternehmen beschrieb er als ein Geschäft, das ganzmetallene und tragbare Uhren für besondere Zwecke  herstelle, das auch mehrere Arbeiter und Meister im Orte und auswärts beschäftige und eine Schreinerei betreibe, ferner den Versand aufgekaufter Uhren nach dem Auslande besorge, und das gerade im Begriffe stehe , eine eigene Messinggießerei für Uhrenteile – übrigens die einzige in Württemberg – zu errichten.“1   Nach der Haft waren die Pläne von Johannes Bürk nicht geringer geworden. Er plante eine Gewerbeausstellung auf dem Marktplatz und im Rathaus und verband damit den Gedanken der Gründung eines Gewerbe- und Handelsverein. Diese Ausstellung fand um die Pfingsttage 1857 herum statt. Dieses Ereignis war dem Schwäbischen Merkur sogar eine umfangreiche Berichterstattung wert und lockte den Präsidenten der Zentralstelle Steinbeis zum dritten Mal nach Schwenningen. Hier legte er mit Bürk die Grundlagen, die dann zur Normierung von Teilen und der Gründung der Feintechnikschule führten.

1858 ließ Johannes Bürk sein erstes Fabrikgebäude mit Wohnung erbauen. Das erste Haus in Schwenningen ohne Viehstall und Misthaufen.2   Obwohl ihn eine heute nicht mehr zu bestimmende Krankheit befallen hatte, war er unermüdlich. Bei der Gründung der Turngemeinde 1859 war er treibende Kraft.3

 

Die württembergische Uhrenfabrik

Belegschaft der Württembergischen Uhrenfabrik um 1900 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Belegschaft der Württembergischen Uhrenfabrik um 1900 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

 

Fabrikordnung und Statut der Krankenkasse 1884 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Fabrikordnung und Statut der Krankenkasse 1884 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Ein Jahr später legte er seinen Posten als Ratschreiber nieder. Gleichzeitig beantragte er bei der Zentralstelle Unterstützung für die Einrichtung einer Muster- und Lehrwerkstätte sowie einer Uhrenteile-Fabrik. Diese befürwortete den Antrag. Ihm wurden 2600 Gulden zugestanden und man half beim Maschinenkauf. Am 1. Februar 1861 konnte die Württembergische Uhrenfabrik die Lehrwerkstätte mit 13 Lehrlingen eröffnen. Leider gab es nie einen Vertrag und Geld bekam Johannes Bürk trotz vieler Zusagen auch keins, so dass die Werkstatt wieder aufgegeben wurde. Auch konnte Bürk die Uhrmacher nicht von der Normung von Teilen überzeugen. Aber die Ausbildung in der Württembergischen Uhrenfabrik muss gut4   gewesen sein, denn viele Firmengründer lernten dort.

1861 beteiligte sich Bürk an der Rottweiler Gewerbeschau, die nur durch seine Produkte einen Erfolg verbuchen konnte. Ein Jahr später führte er eine Betriebskrankenkasse und eine Betreibordnung ein. Darin wurde die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden festgelegt. Im Handwerk waren 15 bis 18 Stunden üblich. Er ist ferner der Initiator der „Öfen, Kochherde, Kochgeschirr“ Ausstellung. Sie sollt aufzeigen, wie man mit weniger Gefahren kochen kann. Sie war sehr gut organisiert. Das Innenministerium hatte den Verkauf von 20.000 Losen zu je 30 Kreuzer genehmigt. Man verkaufte 13750 Lose (Bevölkerung von 5000). Nur der umfangreiche Katalog wurde nicht rechtzeitig fertig. König Karl I. verlieh Bürk die „Große Medaille für allgemeine Verdienste um Gewerbe und Handel.“1866 baute er einen Erweiterungsbau und ließ die Fabrik ins Handelsregister eintragen als erste Uhrenfabrik des Schwarzwaldes.

Auch die Feuerwehr ist eng mit dem Namen Bürk verbunden. Johannes Bürk rekrutierte die ersten Feuerwehrmänner aus der Turngemeinde. Er erwarb eine Feuerspritze, die in der Württembergischen stand und von dort zu den Einsätzen geschoben wurde. Erster Kommandant war Johannes Bürk.5

1868 wird er Abgeordneter der Zweiten Kammer des Württembergischen Landtages. Man hatte ihn überreden müssen, die Kandidatur anzunehmen. Doch sein kräftezehrendes Tageswerk führte dazu, dass er bereits im Alter von 53 Jahren am 29. November 1872 verschied.

Johannes Bürk 1871

Johannes Bürk 1871 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Johannes Bürk war der Mann, der die Weichen für die Aufwärtsentwicklung Schwenningens zur heutigen Industriestadt gestellt hat. Er war ein weitblickender Wirtschafts- und Kommunalpolitiker.

  1. Neher S.118. []
  2. Zu den Produkten s. den Artikel von Werner Schmid in diesem Band. []
  3. Auch seine Nachkommen unterstützten den Verein. []
  4. In der Württembergischen Fabrik beschäftigt waren die Gründer der Firma Irion & Vosseler, Gottlob Widmann, der die Firma Gottlob Widmann und Söhne KG ins Leben rief sowie Heinrich Schmid, ein Mitbegründer der Firma Jauch und Schmid KG. []
  5. Seine Söhne Richard und Benjamin, sowei dessen Sohn Alfred waren Feuerwehrkommandanten []

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